ISO 21940-12: Mechanische Schwingungen – Rotorauswuchten – Teil 12: Verfahren und Toleranzen für Rotoren mit flexiblem Verhalten
Zusammenfassung
ISO 21940-12 befasst sich mit der komplexen Herausforderung des Auswuchtens flexible RotorenEin flexibler Rotor ist ein Rotor, dessen Form und Unwuchtverteilung sich mit der Drehzahl deutlich ändern, insbesondere wenn er sich seiner Biegegrenze nähert und diese durchläuft. kritische GeschwindigkeitenIm Gegensatz zu starren Rotoren (siehe Teil 11) kann bei einem flexiblen Rotor nicht erwartet werden, dass er bei niedriger Drehzahl ausgewuchtet bleibt und auch bei hoher Betriebsdrehzahl im Gleichgewicht bleibt. Diese Norm beschreibt die speziellen Verfahren für mehrere Drehzahlen und Ebenen, die zum ordnungsgemäßen Auswuchten dieser komplexen rotierenden Systeme erforderlich sind, wie sie in Hochleistungsmaschinen wie Gasturbinen, Kompressoren und langen Industriewalzen üblich sind.
Inhaltsverzeichnis (Konzeptionelle Struktur)
Der Standard bietet einen Rahmen für das Verständnis und die Ausführung der erweiterten Methoden, die für das flexible Rotorauswuchten erforderlich sind:
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1. Umfang und Klassifizierung flexibler Rotoren:
Dieses erste Kapitel definiert den Anwendungsbereich der Norm und legt fest, dass sie für Rotoren gilt, die flexibles Verhalten aufweisen, d. h. ihre Unwuchtverteilung und/oder ihre Verformung ändern sich mit der Drehzahl. Es führt ein wichtiges Klassifizierungssystem ein, um diese Rotoren anhand ihrer dynamischen Eigenschaften zu kategorisieren, was für die Auswahl der geeigneten Auswuchtstrategie von entscheidender Bedeutung ist. Die Klassen reichen von:
- Klasse 1: Starre Rotoren (abgedeckt durch ISO 21940-11).
- Klasse 2: Quasi-starre Rotoren, die bei niedriger Geschwindigkeit ausgewuchtet werden können, bei Betriebsgeschwindigkeit jedoch möglicherweise ein Trimmauswuchten erfordern.
- Klasse 3: Rotoren, die bei mehreren Geschwindigkeiten ausgewuchtet werden müssen, oft mit dem Einflusskoeffizient Dabei wird typischerweise eine oder mehrere kritische Geschwindigkeiten durchlaufen.
- Klasse 4 & 5: Hochflexible Rotoren, wie sie beispielsweise in großen Turbinengeneratoren vorkommen, erfordern fortschrittliche Techniken zum modalen Ausgleichen, um mehrere Biegemodi zu korrigieren.
Diese Klassifizierung bietet eine systematische Möglichkeit, die Komplexität der Auswuchtaufgabe und die notwendigen Verfahren zu bestimmen, um eine erfolgreiche Auswuchtung über den gesamten Betriebsdrehzahlbereich zu erreichen.
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2. Ausgleichsverfahren:
Dieses Kapitel bildet den technischen Kern der Norm und beschreibt die komplexen, mehrstufigen Verfahren für flexible Rotoren. Es erklärt, dass ein einfaches Auswuchten bei niedriger Geschwindigkeit nicht ausreicht und durch Hochgeschwindigkeitstechniken ergänzt werden muss, um die Biegung des Rotors zu berücksichtigen. Die Norm beschreibt zwei Hauptmethoden:
- Die Einflusskoeffizient Verfahren: Dies ist eine vielseitige und weit verbreitete Technik. Dabei wird systematisch ein bekanntes Testgewicht in jeweils einer Korrekturebene platziert und die resultierende Schwingungsreaktion (Amplitude und Phase) an mehreren Stellen und bei mehreren Geschwindigkeiten gemessen. Dieser Vorgang wird für jede Korrekturebene wiederholt. Aus den gesammelten Daten wird eine Matrix von „Einflusskoeffizienten“ berechnet, die mathematisch definiert, wie sich eine Unwucht in einer beliebigen Ebene auf die Schwingung an einem beliebigen Messpunkt und bei jeder Geschwindigkeit auswirkt. Ein Computer berechnet dann anhand dieser Matrix die erforderlichen Korrekturgewichte und deren Winkelplatzierungen auf allen Ebenen, um die Schwingung über den gesamten Geschwindigkeitsbereich hinweg gleichzeitig zu minimieren.
- Modale Balance: Dies ist eine physikalisch intuitivere Methode, bei der jede Biegeform des Rotors als separates Unwuchtproblem behandelt wird. Dabei wird der Rotor mit oder nahe einer bestimmten kritischen Drehzahl betrieben, um die entsprechende Eigenform maximal anzuregen. Schwingungsmessungen werden durchgeführt, um die Position der „Schwerpunktstelle“ für diese Eigenform zu ermitteln. Korrekturgewichte werden an den Punkten maximaler Auslenkung (Bäuche) für diese Eigenform platziert, um der Unwucht entgegenzuwirken. Dieser Vorgang wird dann für jede signifikante Biegeform innerhalb des Betriebsdrehzahlbereichs des Rotors sequenziell wiederholt, wodurch der Rotor effektiv eine Eigenform nach der anderen ausgewuchtet wird.
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3. Spezifikation der Balance-Toleranzen:
In diesem Kapitel wird erläutert, dass die einfachen Toleranzen der Klasse G, die für starre Rotoren verwendet werden, für flexible Rotoren oft nicht ausreichen. Stattdessen werden umfassendere Toleranzkriterien vorgestellt, die auf mehreren Faktoren basieren können, darunter:
- Grenzwerte für die verbleibende modale Unwucht für jeden signifikanten Biegemodus.
- Grenzwerte für die absoluten Wellenschwingungsamplituden an bestimmten Stellen und bei bestimmten Drehzahlen (insbesondere bei der Betriebsdrehzahl).
- Grenzen der auf die Lager übertragenen Kräfte.
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4. Überprüfung des endgültigen Bilanzstatus:
Dieser letzte Abschnitt beschreibt die Abnahmekriterien für einen erfolgreich ausgewuchteten flexiblen Rotor. Anders als bei einem starren Rotor, der nur bei einer Drehzahl geprüft werden muss, muss bei einem flexiblen Rotor die Auswuchtung über den gesamten Betriebsdrehzahlbereich sichergestellt sein. Nach dem Anbringen der letzten Korrekturgewichte wird der Rotor einem letzten Anlauftest unterzogen. Während dieses Anlaufs werden die Schwingungen an wichtigen Stellen (wie Lagern und Punkten maximaler Auslenkung) kontinuierlich überwacht. Die Norm legt fest, dass der Rotor nur dann als ausreichend ausgewuchtet gilt, wenn die gemessenen Schwingungen bei allen Drehzahlen unterhalb der vordefinierten Toleranzgrenzen bleiben, insbesondere beim Durchlaufen der kritischen Drehzahlen und beim Verweilen bei der maximalen Dauerbetriebsdrehzahl. Diese umfassende Prüfung stellt sicher, dass das komplexe dynamische Verhalten des Rotors wirksam kontrolliert wurde.
Schlüsselkonzepte
- Flexibles vs. starres Verhalten: Der grundlegende Unterschied: Ein Rotor ist flexibel, wenn seine Betriebsdrehzahl einen signifikanten Bruchteil (typischerweise >70%) seiner ersten Biegeeigenfrequenz (kritische Drehzahl) beträgt. Bei schnellerer Drehung des Rotors bewirken Zentrifugalkräfte eine Biegung, wodurch sich seine Unwucht verändert.
- Kritische Geschwindigkeiten und Eigenformen: Für ein flexibles Rotorauswuchten ist es wichtig, die kritischen Drehzahlen des Rotors und die damit verbundenen Eigenformen (die Form, die der Rotor bei dieser Drehzahl annimmt) zu kennen. Jede Eigenform muss als separates Auswuchtproblem behandelt werden.
- Auswuchten in mehreren Ebenen und mit mehreren Geschwindigkeiten: Die Kernmethodik. Im Gegensatz zu starren Rotoren, die bei einer niedrigen Drehzahl in zwei Ebenen ausgewuchtet werden können, erfordern flexible Rotoren Korrekturen in mehreren Ebenen und Messungen bei mehreren Drehzahlen, um einen reibungslosen Betrieb über den gesamten Drehzahlbereich sicherzustellen.
- Modale Balance: Eine leistungsstarke Technik, bei der Gewichte hinzugefügt werden, um das mit jeder Biegeform verbundene Ungleichgewicht gezielt auszugleichen. Um beispielsweise die erste Biegeform auszugleichen, werden Gewichte an der Stelle der maximalen Auslenkung dieser Form platziert.