Die Zeitwellenform: Die Grundlage der Schwingungsanalyse
Definition: Was ist eine Zeitwellenform?
Die Zeitwellenform (auch als Zeitbereichssignal bezeichnet) ist das unverarbeitete Rohsignal eines Schwingungsaufnehmers, beispielsweise eines Beschleunigungsmessers oder Näherungssensors. Es handelt sich um ein Diagramm, das die momentane Amplitude der Schwingung auf der vertikalen (Y-)Achse gegen die Zeit auf der horizontalen (X-)Achse aufträgt. Es ist eine direkte Darstellung der physischen Hin- und Herbewegung der Maschine am Sensorstandort über einen kurzen Zeitraum.
Die Rolle der Zeitwellenform in der Diagnostik
Während die Frequenzspektrum (FFT) Während die FFT das wichtigste Werkzeug zur Diagnose der meisten stationären Maschinenfehler ist, ist die Zeitwellenform ein unverzichtbares und ergänzendes Werkzeug. Die FFT berechnet den Frequenzgehalt über die Zeit der Abtastung *gemittelt*. Dabei können kurzzeitige, vorübergehende oder nicht periodische Ereignisse manchmal verschleiert werden. Die Zeitwellenform zeigt jedoch genau, was von Moment zu Moment passiert ist, und eignet sich daher hervorragend für die Analyse von:
- Impulsive Ereignisse: Es zeigt deutlich scharfe Stöße, die oft ein erstes Anzeichen für Lager- oder Getriebedefekte sind.
- Modulation und Beats: Das klassische Aufstiegs- und Fallmuster von Prügel ist am deutlichsten in der Zeitwellenform zu sehen.
- Vorübergehende Ereignisse: Es kann zufällige, einmalige Ereignisse erfassen, die in einer FFT gemittelt würden.
- Signal-Clipping: Es zeigt sofort an, ob das Sensorsignal den Eingangsbereich des Analysators überschritten hat, was die FFT ungültig machen würde.
- Reibt: Die scharfen, verzerrten Signale einer Rotorreibung sind in der Wellenform oft am deutlichsten zu erkennen.
Ein erfahrener Analytiker überprüft stets sowohl das Spektrum als auch die Zeitwellenform, um ein vollständiges Bild vom Zustand der Maschine zu erhalten.
So analysieren Sie eine Zeitwellenform
Bei der Analyse einer Zeitwellenform werden ihre Form und ihre wichtigsten Merkmale untersucht.
1. Spitzenamplitude
Die maximale Amplitude (Spitze) in der Wellenform ist ein direktes Maß für die maximale Kraft oder Belastung eines Ereignisses. Eine hohe Spitzenamplitude in einem ansonsten energiearmen Signal ist ein starker Indikator für Stöße.
2. Gesamtform
Eine gut funktionierende, gut ausbalancierte Maschine weist bei der Betriebsfrequenz häufig eine saubere, sinusförmige Wellenform auf. Verzerrungen dieser Form weisen auf das Vorhandensein anderer Frequenzen oder Kräfte hin. Ein „abgeflachtes“ oder „abgeknicktes“ Erscheinungsbild ist beispielsweise ein klassisches Zeichen für mechanische Lockerheit, wenn die Bewegung der Komponente eingeschränkt ist.
3. Wiederkehrende Muster und Periodizität
Durch Platzieren von Cursorn auf dem Diagramm kann ein Analyst die Zeit zwischen sich wiederholenden Ereignissen messen.
- Die Messung der Zeit zwischen den Hauptspitzen gibt die Zeitraum der Grundschwingung, die invertiert werden kann, um ihre Frequenz zu bestimmen (Frequenz = 1 / Periode).
- Durch die Suche nach kleineren, sich wiederholenden Stößen, die auf der Hauptwellenform „reiten“, können Sie die genaue Häufigkeit von Lager- oder Getriebefehlern ermitteln.
4. Statistische Parameter
Aus der Zeitwellenform berechnete statistische Werte sind aussagekräftige Diagnoseindikatoren:
- RMS (quadratischer Mittelwert): Misst den Gesamtenergiegehalt des Signals.
- Scheitelfaktor: Das Verhältnis der Spitzenamplitude zum RMS-Wert. Ein hoher Crest-Faktor (>>3) weist auf starke Stöße hin.
- Kurtosis: Ein Maß für die „Spitze“ des Signals. Ein hoher Kurtosis-Wert weist sehr empfindlich auf Lagerfehler im Frühstadium hin.
Wellenform vs. Spektrum: Eine Partnerschaft
Die Zeitwellenform und das Frequenzspektrum sind zwei verschiedene Ansichten derselben Daten und funktionieren am besten zusammen:
- Die Spektrum eignet sich hervorragend zum Trennen mehrerer, eng beieinander liegender, stationärer Frequenzen.
- Die Wellenform ist hervorragend geeignet, die wahre Amplitude von Auswirkungen und die Natur nichtstationärer Ereignisse aufzuzeigen.
Beispielsweise kann das Spektrum einen erhöhten Rauschpegel aufweisen, die Wellenform zeigt jedoch, dass die Ursache eine Reihe sich wiederholender Stöße mit geringer Amplitude aufgrund eines sich entwickelnden Lagerfehlers ist.