Was ist Rotorauswuchten? Ein umfassender Leitfaden
Definition: Das Kernkonzept des Balancing
Auswuchten von Rotoren ist der systematische Prozess der Optimierung der Massenverteilung eines rotierenden Körpers (Rotors), um sicherzustellen, dass die effektive Massenmittellinie mit der tatsächlichen geometrischen Mittellinie übereinstimmt. Bei einem unausgeglichenen Rotor entstehen während der Rotation Zentrifugalkräfte, die zu übermäßigen Vibrationen, Lärm, verkürzter Lagerlebensdauer und potenziell katastrophalen Ausfällen führen. Ziel des Auswuchtens ist es, diese Kräfte durch gezieltes Hinzufügen oder Entfernen von Gewichten an bestimmten Stellen zu minimieren und so die Vibrationen auf ein akzeptables Maß zu reduzieren.
Warum ist das Auswuchten eine kritische Wartungsaufgabe?
Unwucht ist eine der häufigsten Vibrationsquellen in rotierenden Maschinen. Präzisionsauswuchten dient nicht nur der Vibrationsreduzierung, sondern ist eine wichtige Wartungsmaßnahme mit erheblichen Vorteilen:
- Längere Lagerlebensdauer: Unwuchtkräfte werden direkt auf die Lager übertragen. Durch die Reduzierung dieser Kräfte wird die Lebensdauer der Lager erheblich verlängert.
- Verbesserte Maschinenzuverlässigkeit: Geringere Vibrationen reduzieren die Belastung aller Maschinenkomponenten, einschließlich Dichtungen, Wellen und Strukturstützen, was zu weniger Ausfällen führt.
- Erhöhte Sicherheit: Hohe Vibrationspegel können zum Ausfall von Komponenten führen und so erhebliche Sicherheitsrisiken für das Personal darstellen.
- Geringerer Lärmpegel: Mechanische Vibrationen sind eine Hauptquelle für Industrielärm. Eine gut ausbalancierte Maschine läuft deutlich leiser.
- Geringerer Energieverbrauch: Energie, die sonst durch die Erzeugung von Vibrationen und Wärme verschwendet würde, wird in nützliche Arbeit umgewandelt, wodurch die Effizienz verbessert wird.
Arten des Auswuchtens: Statisch vs. Dynamisch
Auswuchtverfahren werden nach der Art der Unwucht kategorisiert, die sie korrigieren. Die beiden Hauptarten sind das statische und das dynamische Auswuchten.
Statisches Auswuchten (Ein-Ebenen-Auswuchten)
Statische Unwucht entsteht, wenn der Schwerpunkt des Rotors von seiner Rotationsachse abweicht. Dies wird oft als einzelner „schwerer Punkt“ visualisiert. Beim statischen Auswuchten wird dies durch das Anbringen eines einzelnen Ausgleichsgewichts 180° gegenüber dem schweren Punkt korrigiert. Die Bezeichnung „statisch“ kommt daher, dass diese Art der Unwucht auch bei ruhendem Rotor (z. B. bei Messerkantenwalzen) erkannt werden kann. Statisches Auswuchten eignet sich für schmale, scheibenförmige Rotoren wie Lüfter, Schleifscheiben und Schwungräder, bei denen das Längen-Durchmesser-Verhältnis klein ist.
Dynamisches Auswuchten (Zwei-Ebenen-Auswuchten)
Dynamische Unwucht ist ein komplexerer Zustand, der sowohl statische Unwucht als auch Drehmomentunwucht umfasst. Drehmomentunwucht entsteht, wenn sich an den gegenüberliegenden Enden des Rotors zwei gleich schwere Stellen befinden, die um 180° versetzt sind. Dadurch entsteht eine Schaukelbewegung bzw. ein Moment, das nur bei rotierendem Rotor spürbar ist. Die meisten Rotoren müssen dynamisch ausgewuchtet werden, insbesondere solche, deren Länge größer ist als ihr Durchmesser (wie Motoranker, Wellen und Turbinen). Um sowohl der Kraft- als auch der Drehmomentunwucht entgegenzuwirken, sind Korrekturen in mindestens zwei verschiedenen Ebenen entlang der Rotorlänge erforderlich.
Der Auswuchtvorgang: So wird's gemacht
Moderne Auswuchtverfahren werden typischerweise mit Spezialgeräten und einem systematischen Ansatz durchgeführt, oft unter Verwendung der Einflusskoeffizientenmethode:
- Erstlauf: Die Maschine wird laufen gelassen, um die anfängliche Schwingungsamplitude und den Phasenwinkel zu messen, die durch die vorhandene Unwucht verursacht werden. Ein Schwingungssensor und ein Drehzahlmesser (als Phasenreferenz) werden verwendet.
- Probelauf mit Gewichten: Ein bekanntes Testgewicht wird vorübergehend an einer bekannten Winkelposition in einer Korrekturebene am Rotor befestigt.
- Zweiter Lauf: Die Maschine wird erneut gestartet und die neue Schwingungsamplitude und -phase gemessen. Die Änderung der Schwingung (die Vektordifferenz) wird ausschließlich durch das Testgewicht verursacht.
- Berechnung: Anhand der Information, wie sich das Testgewicht auf die Vibration auswirkte, berechnet das Auswuchtgerät einen „Einflusskoeffizienten“. Dieser Koeffizient wird dann verwendet, um die genaue Menge des Korrekturgewichts und den genauen Winkel zu bestimmen, in dem es platziert werden muss, um die ursprüngliche Unwucht auszugleichen.
- Korrektur und Überprüfung: Das Testgewicht wird entfernt, das berechnete permanente Korrekturgewicht wird installiert und ein letzter Lauf wird durchgeführt, um zu überprüfen, ob die Vibration auf ein akzeptables Niveau reduziert wurde. Beim Auswuchten in zwei Ebenen wird dieser Vorgang für die zweite Ebene wiederholt.
Relevante Normen und Toleranzen
Akzeptable Vibrationspegel sind nicht willkürlich. Sie werden durch internationale Normen definiert, insbesondere durch die ISO 21940 Reihe (die die ältere ISO 1940 ersetzte). Diese Normen definieren „Auswuchtgütegrade“ (z. B. G 6,3, G 2,5, G 1,0) für verschiedene Maschinenklassen. Ein niedrigerer G-Wert bedeutet eine engere Toleranz. Diese Grade werden verwendet, um die maximal zulässige Restunwucht für einen bestimmten Rotor basierend auf seiner Masse und Betriebsdrehzahl zu berechnen und sicherzustellen, dass er den Betriebsanforderungen entspricht.