Vektoraddition beim Rotorauswuchten verstehen
Definition: Was ist Vektoraddition?
Vektoraddition ist die mathematische Operation, bei der zwei oder mehr Vektoren kombiniert werden, um einen einzigen resultierenden Vektor zu erzeugen. Im Kontext von Rotorauswuchtung, Vibration wird als Vektor dargestellt, da sie sowohl Größe (Amplitude) und Richtung (Phasenwinkel). Die Vektoraddition ist für den Ausgleichsprozess von grundlegender Bedeutung, da mehrere Quellen Unwucht kombinieren sich vektoriell, nicht algebraisch, was bedeutet, dass ihre Phasenbeziehungen ebenso wichtig sind wie ihre Größen.
Das Verständnis der Vektoraddition ist für die Interpretation von Ausgleichsmessungen und die Vorhersage, wie Korrekturgewichte beeinflusst die Gesamtvibration eines Rotorsystems.
Warum Vibrationen als Vektoren behandelt werden müssen
Durch Unwucht verursachte Vibrationen sind rotierende Kräfte, die sich einmal pro Umdrehung wiederholen. An jedem Sensorstandort weist diese Vibration zwei entscheidende Eigenschaften auf:
- Amplitude: Die Größe oder Stärke der Vibration, normalerweise gemessen in mm/s, Zoll/s oder Mikrometern.
- Phase: Der Winkelzeitpunkt, zu dem die Spitzenschwingung relativ zu einer Referenzmarkierung auf dem Rotor auftritt. Dieser wird in Grad gemessen (0° bis 360°).
Da die Phaseninformation entscheidend ist, können Schwingungsamplituden nicht einfach addiert werden. Erzeugen beispielsweise zwei Unwuchten jeweils eine Schwingung von 5 mm/s, kann die Gesamtschwingung zwischen 0 mm/s (bei 180° Phasenverschiebung und gegenseitiger Aufhebung) und 10 mm/s (bei Phasengleichheit und gegenseitiger Verstärkung) liegen. Daher ist eine Vektoraddition erforderlich, die sowohl Amplitude als auch Phase berücksichtigt.
Mathematische Grundlagen der Vektoraddition
Vektoren können in zwei äquivalenten Formen dargestellt werden, und beide werden in Ausgleichsberechnungen verwendet:
1. Polarform (Größe und Winkel)
In der Polarform wird ein Vektor als Amplitude (A) und Phasenwinkel (θ) ausgedrückt. Beispiel: 5,0 mm/s ∠ 45°. Dies ist die intuitivste Form für Auswuchttechniker, da sie direkt den gemessenen Schwingungsdaten entspricht.
2. Rechteckige (kartesische) Form (X- und Y-Komponenten)
In der rechteckigen Form wird ein Vektor in seine horizontalen (X) und vertikalen (Y) Komponenten zerlegt. Die Umwandlung von der Polar- in die rechteckige Form erfolgt mittels Trigonometrie:
- X = A × cos(θ)
- Y = A × sin(θ)
Das Addieren von Vektoren in rechteckiger Form ist unkompliziert: Addieren Sie einfach alle X-Komponenten und alle Y-Komponenten, um die Komponenten des resultierenden Vektors zu erhalten. Das Ergebnis kann dann bei Bedarf wieder in die Polarform zurückkonvertiert werden.
Beispielrechnung
Angenommen, wir haben zwei Schwingungsvektoren:
- Vektor 1: 4,0 mm/s ∠ 30°
- Vektor 2: 3,0 mm/s ∠ 120°
Umwandeln in die rechteckige Form:
- Vektor 1: X₁ = 4,0 × cos(30°) = 3,46, Y₁ = 4,0 × sin(30°) = 2,00
- Vektor 2: X₂ = 3,0 × cos(120°) = -1,50, Y₂ = 3,0 × sin(120°) = 2,60
Hinzufügen:
- X_gesamt = 3,46 + (-1,50) = 1,96
- Y_gesamt = 2,00 + 2,60 = 4,60
Rückkonvertierung in die Polarform:
- Amplitude = √(1,96² + 4,60²) = 5,00 mm/s
- Phase = arctan(4,60 / 1,96) = 66,9°
Ergebnis: Die kombinierte Schwingung beträgt 5,00 mm/s ∠ 66,9°
Grafische Methode: Die Tip-to-Tail-Methode
Die Vektoraddition kann auch grafisch auf einem Polardiagramm, das ein intuitives visuelles Verständnis der Kombination von Vektoren vermittelt:
- Zeichnen Sie den ersten Vektor: Zeichnen Sie den ersten Vektor vom Ursprung aus, wobei seine Länge die Amplitude und sein Winkel die Phase darstellt.
- Positionieren Sie den zweiten Vektor: Platzieren Sie das Ende (den Startpunkt) des zweiten Vektors an der Spitze (dem Endpunkt) des ersten Vektors und behalten Sie dabei den richtigen Winkel und die richtige Länge bei.
- Zeichnen Sie die Resultante: Der resultierende Vektor wird vom Ursprung (Ende des ersten Vektors) bis zur Spitze des zweiten Vektors gezeichnet. Diese Resultante stellt die Summe der beiden Vektoren dar.
Diese grafische Methode ist besonders nützlich, um die Wirkung des Hinzufügens oder Entfernens von Korrekturgewichten schnell abzuschätzen und die Ergebnisse elektronischer Berechnungen zu überprüfen.
Praktische Anwendung im Auswuchten
Die Vektoraddition wird in jeder Phase des Ausgleichsprozesses verwendet:
1. Kombination von Originalunwucht und Testgewicht
Wenn ein Probegewicht Wird einem Rotor eine Schwingung zugeführt, ist die gemessene Schwingung die Vektorsumme der ursprünglichen Unwucht (O) und des Einflusses des Testgewichts (T). Das Auswuchtgerät misst (O+T) direkt. Um den Einfluss des Testgewichts zu isolieren, wird eine Vektorsubtraktion durchgeführt: T = (O+T) – O.
2. Berechnung des Einflusskoeffizienten
Die Einflusskoeffizient wird berechnet, indem der Vektoreffekt des Testgewichts durch die Masse des Testgewichts geteilt wird. Dieser Koeffizient ist selbst eine Vektorgröße.
3. Ermittlung des Korrekturgewichts
Der Korrekturgewichtsvektor wird als das Negative (180° Phasenverschiebung) der ursprünglichen Schwingung geteilt durch den Einflusskoeffizienten berechnet. Dadurch wird sichergestellt, dass sich die Effekte des Korrekturgewichts, wenn sie vektoriell zur ursprünglichen Unwucht addiert werden, gegenseitig aufheben, was zu einer Schwingung nahe Null führt.
4. Vorhersage der Endschwingung
Nach dem Einbau eines Korrekturgewichts kann durch Vektoraddition der ursprünglichen Schwingung und der berechneten Wirkung des Korrekturgewichts die zu erwartende Restschwingung vorhergesagt werden. Diese Vorhersage kann zur Qualitätskontrolle mit der tatsächlichen Endmessung verglichen werden.
Vektorsubtraktion
Bei der Vektorsubtraktion handelt es sich einfach um eine Vektoraddition, bei der der zweite Vektor umgekehrt (um 180° gedreht) wird. So subtrahieren Sie Vektor B von Vektor A:
- Kehren Sie Vektor B um, indem Sie ihn um 180° drehen (oder multiplizieren Sie ihn in rechteckiger Form mit -1).
- Addieren Sie den umgekehrten Vektor mithilfe der normalen Vektoraddition zu Vektor A.
Dieser Vorgang wird häufig verwendet, um die Wirkung eines Testgewichts zu isolieren: T = (O+T) – O, wobei O die ursprüngliche Vibration und (O+T) die gemessene Vibration mit installiertem Testgewicht ist.
Häufige Fehler und Missverständnisse
Mehrere häufige Fehler entstehen durch Missverständnisse bei der Vektoraddition beim Ausgleichen:
- Amplituden direkt hinzufügen: Das einfache Addieren der Schwingungsamplituden (z. B. 3 mm/s + 4 mm/s = 7 mm/s) ist falsch, da dabei die Phase ignoriert wird. Das tatsächliche Ergebnis hängt von der Phasenbeziehung ab.
- Phaseninformationen ignorieren: Der Versuch, den Ausgleich allein auf Grundlage der Amplitude vorzunehmen, ohne die Phase zu berücksichtigen, führt fast nie zu einem erfolgreichen Ausgleich.
- Falsche Winkelkonvention: Das Verwechseln der Winkelkonventionen im und gegen den Uhrzeigersinn oder die Verwendung des falschen Referenzpunkts kann dazu führen, dass Korrekturgewichte an falschen Stellen platziert werden.
Moderne Instrumente verarbeiten Vektormathematik automatisch
Während das Verständnis der Vektoraddition für Auswuchtprofis wichtig ist, führen moderne tragbare Auswuchtgeräte alle Vektorberechnungen automatisch und intern durch. Das Gerät:
- Sammelt Amplituden- und Phasendaten von Sensoren.
- Führt alle Vektoradditions-, Subtraktions- und Divisionsoperationen aus.
- Zeigt die Ergebnisse sowohl numerisch als auch grafisch an Polardiagramme.
- Liefert direkt die endgültige Korrekturgewichtsmasse und Winkelposition.
Ein solides Verständnis der zugrunde liegenden Vektormathematik ermöglicht es Technikern jedoch, Instrumentenergebnisse zu überprüfen, Anomalien zu beheben und zu verstehen, warum bestimmte Ausgleichsstrategien effektiver sind als andere.