ISO 20816-1: Mechanische Schwingungen – Messung und Bewertung von Maschinenschwingungen – Teil 1: Allgemeine Richtlinien
Zusammenfassung
ISO 20816-1 ist die aktuelle, moderne internationale Norm, die allgemeine Richtlinien für die Messung und Bewertung von Maschinenschwingungen bereitstellt. Sie stellt eine bedeutende Aktualisierung dar, da sie die Prinzipien zweier älterer, grundlegender Normen ersetzt und kombiniert: ISO 10816-1 (die Messungen an nicht rotierenden Teilen umfasste) und ISO 7919-1 (die Messungen an rotierenden Wellen abdeckte). Diese neue Norm bietet einen einheitlichen Rahmen für die Beurteilung der Schwingungen einer Maschine als Ganzes, wobei sowohl Gehäuse- als auch Wellenmessungen zusammen betrachtet werden, um eine umfassendere Bewertung zu ermöglichen.
Inhaltsverzeichnis (Konzeptionelle Struktur)
Der Standard integriert und aktualisiert die Konzepte seiner Vorgänger in einer zusammenhängenden Struktur:
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1. Umfang und Messarten:
Dieses erste Kapitel definiert den umfassenden Anwendungsbereich der Norm und etabliert sie als primäre Richtlinie für die Bewertung der Schwingungen einer Vielzahl von Industriemaschinen unter Betriebsbedingungen. Ihr wichtigstes Merkmal ist die formale Vereinheitlichung zweier unterschiedlicher Messphilosophien. Es bietet detaillierte Methoden zur Schwingungsmessung an beiden:
- Nicht rotierende Teile: Hierbei handelt es sich um Messungen an den stationären Komponenten einer Maschine, typischerweise den Lagergehäusen. Die Norm bekräftigt, dass die bevorzugte Messgröße für diese Art von Messung Breitband ist. RMS (quadratischer Mittelwert) Geschwindigkeit, gemessen mit seismischen Sensoren wie BeschleunigungsaufnehmerDiese Messung spiegelt die zerstörerische Energie wider, die auf die Struktur der Maschine übertragen wird.
- Rotierende Wellen: Hierbei handelt es sich um Messungen der dynamischen Bewegung der Welle selbst relativ zu einem festen Punkt (normalerweise dem Lagergehäuse). Die Norm legt fest, dass dies mit berührungslosen Näherungssonden, und die bevorzugte Metrik ist Spitze-Spitze Verschiebung. Diese Messung gibt direkt an, wie weit sich die Welle innerhalb ihres Lagerspiels bewegt.
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2. Instrumentierung:
Dieses Kapitel legt die technischen Anforderungen an das gesamte Messsystem fest, um Genauigkeit und Konsistenz zu gewährleisten. Es umfasst sowohl seismische (Gehäuse) als auch berührungslose (Wellen-)Messungen. Es schreibt vor, dass die Instrumente, einschließlich Messumformer, Verkabelung und Analysator, in der Lage sein müssen, die angegebenen Parameter (RMS-Geschwindigkeit oder Peak-to-Peak-Verschiebung) über den für den Maschinentyp erforderlichen Frequenzbereich genau zu messen. Die Norm betont die Bedeutung der regelmäßigen Kalibrierung der gesamten Messkette anhand eines bekannten, rückführbaren Standards. Darüber hinaus enthält sie wichtige Hinweise zur ordnungsgemäßen Sensorinstallation und verweist auf spezifische Normen für die Montage von Beschleunigungsmessern (ISO 5348) und Näherungssonden (z. B. API 670), um Messfehler zu minimieren und sicherzustellen, dass die Daten im Laufe der Zeit zuverlässig und wiederholbar sind.
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3. Bewertungskriterien:
Dieser Abschnitt bildet den Kern der Bewertungsmethodik und führt den bewährten Zwei-Kriterien-Ansatz aus früheren Normen fort. Er bietet einen detaillierten Rahmen für die Bewertung des Maschinenzustands sowohl auf Basis absoluter Werte als auch anhand von Veränderungen im Zeitverlauf:
- Kriterium 1 (Absolute Grenzen): Bei diesem Kriterium wird die absolut gemessene Schwingungsstärke (Gehäusegeschwindigkeit oder Wellenauslenkung) mit vordefinierten Grenzwerten verglichen. Diese Grenzwerte werden typischerweise anhand statistischer Daten einer großen Anzahl ähnlicher Maschinen oder anhand spezifischer Richtlinien aus anderen Teilen der ISO 20816-Reihe festgelegt. Es dient als grundlegender Maßstab für den Gesamtzustand der Maschine und ist für die Abnahmeprüfung von entscheidender Bedeutung.
- Kriterium 2 (Änderung gegenüber dem Ausgangswert): Dieses Kriterium konzentriert sich auf die Veränderung der Schwingungsstärke gegenüber einem bekannten, stabilen Referenz- oder Ausgangszustand. Die Norm betont, dass eine signifikante Veränderung, selbst wenn der absolute Wert nach Kriterium 1 noch als akzeptabel gilt, oft der früheste und zuverlässigste Indikator für einen sich entwickelnden Fehler ist. Dieses Kriterium bildet die Grundlage der trendbasierten vorausschauenden Instandhaltung.
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4. Bewertungszonen:
Um die Anwendung von Kriterium 1 zu vereinfachen, verwendet die Norm weiterhin das bewährte Vier-Zonen-Modell zur Klassifizierung der absoluten Schwingungsstärke. Diese Zonen bieten eine klare, farbkodierte Methode zur Kommunikation des Maschinenzustands. Wichtig ist, dass dieser allgemeine Teil der Norm nur das Konzept der Zonen definiert; die spezifischen Zahlenwerte für die Zonengrenzen finden sich in den maschinenspezifischen Teilen der Norm (z. B. ISO 20816-3). Die Zonen sind wie folgt definiert:
- Zone A: Die Vibrationen neu in Betrieb genommener oder generalüberholter Maschinen fallen typischerweise in diesen Bereich.
- Zone B: Maschinen mit Vibrationen in diesem Bereich gelten normalerweise als für den uneingeschränkten Dauerbetrieb geeignet.
- Zone C: Maschinen mit Vibrationen in diesem Bereich gelten normalerweise als für den Dauerbetrieb ungeeignet. Es sollten Abhilfemaßnahmen geplant werden.
- Zone D: Vibrationswerte innerhalb dieses Bereichs gelten normalerweise als stark genug, um Schäden an der Maschine zu verursachen.
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5. Gemeinsame Beurteilung und Abnahme:
Dieser letzte Abschnitt bietet eine wichtige Zusammenfassung der Grundsätze der Norm. Er empfiehlt ausdrücklich einen kombinierten Bewertungsansatz, insbesondere für kritische Maschinen, die sowohl mit seismischen als auch mit berührungslosen Sonden ausgestattet sind. Er leitet den Anwender an, sowohl die Gehäuseschwingung (die die auf die Struktur übertragenen Kräfte widerspiegelt) als auch die Wellenschwingung (die das dynamische Verhalten des Rotors widerspiegelt) zu bewerten, um eine umfassendere und zuverlässigere Beurteilung des Gesamtzustands der Maschine zu erhalten. Dieser Abschnitt unterscheidet auch klar zwischen den Kriterien für Abnahmeprüfung (für neue oder reparierte Maschinen), die typischerweise verlangen, dass die Vibrationspegel in die strengeren Zonen A oder B fallen, und die Kriterien für Betriebsüberwachung von im Betrieb befindlichen Maschinen, bei denen festgelegte Alarmsollwerte (Alarm und Auslösung), die sowohl auf absoluten Grenzwerten als auch auf signifikanten Änderungen vom Ausgangswert basieren, die wichtigsten Werkzeuge für die tägliche Zustandsbewertung sind.
Schlüsselkonzepte
- Vereinheitlichung der Standards: Der wichtigste Aspekt der ISO 20816-1 besteht darin, dass sie die bisher getrennten Normen für Gehäuse- (ISO 10816-1) und Wellenschwingungen (ISO 7919-1) ersetzt und vereinheitlicht. Dies fördert einen ganzheitlicheren Ansatz bei der Maschinenanalyse.
- Philosophie der dualen Messung: Die Norm empfiehlt nachdrücklich, nach Möglichkeit sowohl Gehäuse- als auch Wellenschwingungsmessungen durchzuführen, da diese ergänzende Informationen liefern. Hohe Gehäuseschwingungen können auf ein strukturelles Problem hinweisen, während hohe Wellenschwingungen auf ein rotordynamisches Problem hinweisen können.
- Modernisierung: Es aktualisiert die allgemeinen Richtlinien, um moderne Instrumentierungs- und Datenanalysepraktiken widerzuspiegeln, die sich seit der Veröffentlichung der ursprünglichen Standards entwickelt haben.
- Grundlage für bestimmte Teile: Wie seine Vorgänger bietet dieser „Teil 1“-Standard den allgemeinen Rahmen. Spezifische numerische Grenzwerte für die Bewertungszonen für verschiedene Maschinentypen werden in anderen Teilen der ISO 20816-Reihe detailliert beschrieben (z. B. ISO 20816-3 für Industriemaschinen).